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AUTOR VON "HAHNENSCHREIE", "LIEBESBRIEF AN FREMDEN KÖNIG" UND SCHILLER-TRILOGIE ("STERNGUCKER ODER ...")



Aus "Nach oben offen. Reflexe - Band 4"

28.

Beim Sex mit einer Frau ist der Mann das einsamste Geschöpf der Welt. (Die Frau vielleicht auch.)

Beim Sex mit einem Mann ist er das nicht: da sind sie zu zweit.

112.

Seiner eigenen Erinnerung nach war Empedokles schon so Strauch wie Vogel und Delphin, aber auch schon so Knabe wie Mädchen.

117.

Nordamerikanische Indianer haben dieser Tage postum über den Columbus zu Gericht gesessen und ihn in absentia oder effigie wegen Völkermordes zum Tode verurteilt: dies als ihr symbolischer Beitrag zur 506. Wiederkehr der alljährlich dummdreist gefeierten "Entdeckung Amerikas".

140.

Wenn Männer in der Öffentlichkeit mit ihren Frauen sprechen, sprechen diese Toren, Naïvlinge, Tölpel (in den meisten Fällen) mit ihren Frauen.

Wenn Frauen ebenso mit ihren Männern sprechen, buhlen sie zugleich um Aufmerksamkeit und Sympathie des ganzen Umkreises.

Ebendarum sprechen sie oft auch viel zu laut: "Attenti, attenti!"

159.

Ist Johts Fall tragisch?

Mittel- und chancenlos eingeboren, findet er keinerlei Platz in dieser Gesellschaft. Keine Perspektive. Keinen Bedarf.

Nur daß er einen Eros hat, dem dicke Inderinnen, ältliche Japanerinnen und andere Frauen nicht eben seines eigenen sinnlichen Geschmacks so heillos verfallen, daß sie diesen Habenichts völlig zu finanzieren bereit sind. Sie können das auch. Immer wieder solche.

Ist das anzunehmen schon Prostitution?

Er ziert sich, aber nicht allzu vehement. Ist dann der Sache wenig froh.

Ist er jetzt ein Stricher?

Soll er den Helden spielen und verhungern?

Gilt es nicht, die vom Himmel geschenkten Gaben zu nutzen?

Das könnte ein Stoff sein.

Auch manche der Frauen durchschaut das Geschehen und leidet, aber kann nicht anders.TOP

208.

Wie Goethe seine Mariane späterhin nicht nur auf der Bühne, sondern auch privatim in Offiziersuniform agieren läßt: eben just als umgekehrt Mignon sich heftig weigert, Frauenkleider anzulegen.

Die Liebenden, die Geliebten als Transvestiten: wir alle als Transvestiten?

258.

Als Ridd mir einen Sarong, hier patung genannt, in sonderlich dekorativem Blüten-Design schenkt, frage ich ihn als Moslem, ob ein Mann hier bei solchem Wickelrock nicht strikt zu Karos verpflichtet sei.

Er belehrt mich auf pur buddhistische Weise, daß es einzig an mir liege, ob ich mich solchen Konventionen füge oder sie ignoriere und breche. Er seinerseits bricht sie sogar als Moslem und trägt einen patung mit dekorativem und unkariertem Bambus-Design.

Aber um mit so weibisch verrufenen Mustern gleichwohl die Virilität seines Trägers zu akzentuieren, muß der patung so gewickelt werden, daß sein unterer Saum just zwischen den Beinen einen kleinen Spitzwinkel bildet: dann sei alles klar und in prophetischer Ordnung. Ein ebenmäßig gerader und bodenparallel horizontaler Saum hingegen sei unwiderleglich feminin.

Na gut.

304.

Vielleicht, suggerieren mir beim morgendlichen Strandspaziergang suchende weibliche Augen, ist Eitelkeit oder Gefallsucht, wie ich sie bei Frauen zu beobachten meine, die das Gespräch mit ihrem Ehemanne jeweils für den ganzen Umkreis verstärken, doch auch als biologisches Grundgesetz zu begreifen.

Für den Fall, daß der erkorene Begatter sich als impotent, unfruchtbar oder unwillig erweisen sollte, den gebotenen Nachwuchs zu besorgen, müssen beizeiten Alternativen angebahnt werden. Frauen mögen sich als dafür zuständig erachten, daß die ganze Chose in Gottes Namen weitergeht. Insofern mögen alle ihre Manöver, um jeden Preis aufzufallen, so progressiver wie konservativer Balztanz sein.

Die Männer hätten die Gattung vermutlich längst eingehen lassen und wären vielleicht schon sonstwas oder sonstwo.

Oder weg.

349.

Die Sonne wird von den Thais personifiziert: sie ist ein pra, ein Mönch, ein Geistlicher. Sie ist ein Mann.

Dasselbe trifft hier auf den Mond zu.

Eine männliche Welt.TOP

396.

Daß Hähne nach der Kopulation, so sie gut und genüßlich gelungen ist, zu krähen pflegen.

Das lehrt mich hier Sawaang.

Hahnenschreie also nicht nur als intervirile Sehnsuchtsrufe, sondern auch als sexueller Triumphgesang.

441.

Nach seinen Freunden befragt, referiert der kluge Joht eine klassische Unterscheidung der Thais: "Freund beim Essen" oder "Freund beim Sterben"?

Alle Folgerungen hieraus ergeben sich.

445.

Was er damit anfangen würde, wenn er plötzlich ganz, ganz viel Geld bekäme?

Joht: "Ganz, ganz viel Geld will ich gar nicht haben. Weil es verrückt macht. Mehr als ich zum Leben brauche, will ich nur ja nicht haben."

556.

Mignon ist schon lange tot, da läßt Goethe sie, ihrer sichtlich bedürftig, in Kunst und Recherche eines Malers wiederauferstehen. Erst jetzt fallen jene zu Lebzeiten ausgesparten Bezeichnungen wie "das Knaben-Mädchen" und "der anmutige Scheinknabe". Es läßt ihn nicht los.

Mir ruft das jenen schon vergessenen Kellner in einem Restaurant französischen Namens auf Puhgett in Erinnerung. Er war ein Mädchen.

Aber ohne Busen. Und sehr lang. Und mit männlichem Haarschnitt, männlicher Kleidung; einer Stimme in between.

"Sie ist ein Junge."

"Nein", sagte Jah, der sich im Leben auskennt und fast alles weiß, "er ist ein Mädchen."

"Du hast recht: ein Mädchen."

"Nein", sagte Jah, "sie ist doch ein Junge."

"Du hast recht. Nein, doch nicht: er ist ein Mädchen."

Es war vermutlich ein Junge.

Aber so jung, daß er selbst vielleicht noch nichts von seinen Problemen wußte. Denn er war ein Mädchen.

Oder eben ein Scheinknabe, anmutig. Oder ein Knaben-Mädchen.

Es war Mignon.TOP

696.

"Wenn ich weiß, was eine Sache kostet", schreibt Goethe meinem Jeff und all den vielen andern ins Stammbuch, "so schmeckt mir kein Bissen."

787.

Die eigene Person, auch Persönlichkeit zunehmend als Kokon empfinden, der gesprengt werden will.

826.

Wie Sawaang gestern einen bestimmten Mann sucht, der nicht zu Hause ist.

Er fährt dann auf seinem Motorrad querwaldein, ohne, wie er sagt, zu wissen, warum und wohin. Schon kommt ihm der Gesuchte da entgegen.

Derlei nicht eben selten.

831.

Ein anderer Höhepunkt ist das Bereitstellen meiner Sandalen, die man hier immer draußen vor der Haustür läßt, jeweils an vermutlich nächstbenötigtem Orte. Bisweilen vermisse ich sie aber, weil Sawaang sie schon dorthin gebracht hat, wo ich jetzt plötzlich hin will.

Was das Prinzip, das hinter solcher Bagatelle steht, für Wohlgefühle auslöst, entzieht sich jeder Beschreibbarkeit.

Volltext im Internet über www.libreka.de

Illustration : Pagode

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